Wir waren in den Sommerferien auf Sylt und endlich komme ich dazu Euch mein Interview mit Johannes King zu präsentieren.
Der 2-Sterne Koch Johannes King leitet den Sölring Hof in Rantum und betreibt mit seiner lieben Frau Selina den Genuss-Shop in Keitum auf Sylt.
Das Interview mit ihm hat mir unheimlich Spaß gemacht und war sehr interessant, denn dieser Mann sprüht nur so vor Enthusiasmus und Begeisterung zu Lebensmitteln und Kochen.
Das Interview
Die kleinen Feinschmecker: Du hast mit 9 Geschwister auf dem Bauernhof gelebt … wie hat Deine Mutter das bloß geschafft und was gab es bei Euch zu essen?
Wenn ich im Nachhinein zurückblicke ist es eine große Meisterleistung, die meine Mutter da vollbracht hat. 10 Kinder plus mein Vater, meine Mutter und mein Opa, also immer mit 13 Leuten am Mittagstisch.
Wir waren 100% Selbstversorger. Es wurde zweimal im Jahr geschlachtet. Gemüsegarten, Obstgarten, Streuobstwiesen, Honig, Milch, Butter, eigentlich haben wir alles gehabt, sogar Hasen und Hühner.
Bei uns gab z.B. Hühnerfrikassee, wenn die Hühner zu alt waren. Und wenn die Hasen groß genug waren, dann gab es halt am Sonntag Hasenbraten.
Meine Mutter hat auch gebrannte Eiersuppe gekocht, die im Übrigen zu meinen Lieblingsspeisen gehört, allerdings nur die gebrannte Eiersuppe, wie meine Mutter sie hat anbrennen lassen. Die hat immer so eine braune Mehlschwitze gemacht mit Milch aufgegossen und manchmal gab es noch ein bisschen Rahm dazu. Dann wurden einfach gekochte Eier reingeschnitten und angeschwitzte Zwiebeln. So einen Geschmack, den vergisst man nicht, dass kann man auch mit nichts vergleichen.
Die kleinen Feinschmecker: Welches von Deinen Lieblingsgerichten aus Mamas Küche würdest Du Dir hier mal kochen?
Dampfnudeln.
Da muss ordentlich Dampf unter’m Kessel sein. Hefeteig, Milch, Zucker und Butter und die kommen dann in diese schwimmende Flüssigkeit rein und ab in den Ofen. Und wenn man alles richtiggemacht hat, kommt der Topf irgendwann raus, man macht den Deckel auf. Dann haben die eine herrliche Kruste und unten drunter klebt so eine Sahne mit einer Butter Zucker Karamellschicht … herrlich. Dazu dann Pflaumenkompott, Birnenkompott oder eingemachte Kirschen.
Die kleinen Feinschmecker: Pflaumen- und Birnenkompott, das habt Ihr dann alles selber gemacht? Das kann man sich bei der Auswahl im Supermarkt heute gar nicht mehr vorstellen.
Ja gut, man kocht ja heute nichts mehr ein, damit man den Winter überleben kann und ein bisschen abwechslungsreiches Essen hat. Eher noch unter dem Vorwand, es ist gerade Überfluss da, wie kriege ich ihn konserviert.
Aber alles aus dem Supermarkt muss man auch nicht nehmen. Ich verzichte lieber mal eine Weile auf etwas und freue mich dann, wenn es wieder da ist. Verzicht ist Lustgewinn. Wir freuen uns alle wenn der Spargel kommt. Und wenn er dann nach 6 Wochen wieder weg ist sind wir auch froh. Mit den Kirschen ist es genau das Gleiche. Danach kommen die Pflaumen. Es kommt alles nacheinander im Kreislauf der Natur und wenn wir das wieder ein bisschen mehr beherzen würden und stärker drauf eingingen, hätten wir viel bessere Lebensmittel.
Die kleinen Feinschmecker: Wie sieht es aus mit Kindern, die gar nicht mehr wissen, wie richtige Erdbeeren schmecken? Die Kinder, die am liebsten den Jogurt aus dem Kühlregal essen….?
… ja genau, die mit den naturidentischen Geschmack- und Aromastoffen. Das ist clever gemacht von der Industrie. Das was es anscheinend sein soll, ist nur nicht drin. Es gibt auch viele Kinder, die gar nicht mehr wissen, wie vieles wächst.
Ich war neulich sehr überrascht, denn ich hatte eine junge Dame hier und wir waren im Garten. Dann sagt die doch glatt zu mir: „So wächst Kohlrabi?! Oje denk ich, aber ich hatte leider schon öfter solche Begegnungen. Aber woher sollen es die Kinder wissen?
Früher hat man gesagt, Großmutters Rezept, Großmutters Kuchen. Wir kommen in die Generation, wo Großmutter das beste Avocado Brot macht, aber nicht mehr den besten Hefezopf. Das sind eben die Dinge, die sich ändern. Die Großmütter, die einen eigenen Garten hatten und davon gelebt haben, die werden halt auch weniger. Ich will jetzt nicht glorifizieren, dass immer alles besser war.
Aber man muss vielleicht mal so ein bisschen innehalten in dieser Schnelllebigkeit in der wir gerade leben.
Die kleinen Feinschmecker: Das Schöne ist, es gibt immer mehr Eltern, die wieder anfangen Sachen selber zu machen, einzukochen und die sich auch viele Gedanken zur Ernährung ihrer Kinder machen.
Johannes King: Das Thema Ernährung müsste meines Erachtens viel stärker gelehrt werden. Gott sei Dank gibt es einige engagierte Leute und auch Überzeugungstäter, die es besser machen wollen. Es ist ja nicht so, dass wir kein Wissen hätten. Wir haben das Wissen, wir müssen es nur benutzen.
Die kleinen Feinschmecker: Wie war denn das bei Euch früher? Wenn wir dabei sind, dass ganz viele Eltern wieder anfangen, z.B. Marmelade selber zu machen…. jetzt sind da aber Stückchen drin und die Kinder mögen es nicht essen. Wie war das bei Deinen Eltern, wenn Du etwas nicht essen mochtest?
Johannes King: Ich weiß gar nicht, ob es irgendetwas gegeben hat, was ich oder wir nicht mochten. Bei uns wurde immer das gegessen, was auf den Tisch kam. Es wurde gar nicht darüber diskutiert. Ich weiß es gab einmal, da war ich so 10 oder 11 da kam ich mittags nach Hause da gab es Reis mit Curry Sauce, Banane und Ananas …… huch …. das war wie ein Schock für mich. Meine Mutter hat irgendwie mal was „Neues“ ausprobiert. Es war so total fremd.
Bei uns gab es immer mittags warm, nicht abends, da ab bei uns nur Vesper kurz bevor wir in den Stall gegangen sind. Wir sind auch nie essen gegangen, wir waren Selbstversorger 365 Tage im Jahr.
Wir konnten auch nicht sagen: „Komm wir fahren mal eine Woche in den Urlaub.“ Das sind alles solche Sachen, über die ich im Nachhinein denke: Wie schön war das auf der einen Seite, irgendwie unbedarft und mit Bodenhaftung, ehrlich und unverfälscht. Auch vom Essen her, es war alles normal…. na gut, bis auf den einen Ausreißer mit Currysauce, Banane, Ananas und Reis.
Klar, gab es bei uns auch mal Bananen, weil die der Onkel oder der Opa mitgebracht hat, aber ansonsten hatten die bei uns nichts zu suchen. Ananas aus der Dose gab es. Das war Kult. Die gab es schon mal zum Pudding dazu. Aber jetzt auf einmal warme Banane … ich habe die Welt nicht mehr verstanden… ich habe es brav gegessen, es war ja auch lecker aber das war für mich erst mal ein kulinarischer Schock. Den Schock habe ich aber verkraftet.
Die kleinen Feinschmecker: Gab es irgendwelche Regeln am Tisch?
Es wird aufgegessen und keiner steht auf, bis nicht alle aufgegessen haben.
Wir waren auch alle immer rechtzeitig da. Es gab immer um 11:45 Uhr Sonntags essen, immer drei Gänge aus Suppe, Hauptgang und Dessert. Da ich der Jüngste war, musste immer abwaschen. Und wenn ich vorher schon gemeckert habe, gab es keinen Pudding.
Unter der Woche gab es immer Mittagessen um 12:30 Uhr, weil dann die Schule aus war.
Klare Regel für alle. Einfach. Es gab nichts zu diskutieren.
Die kleinen Feinschmecker: Wer hat gekocht?
Meine Mutter und später auch meine Schwestern mal, aber eigentlich meine Mutter.
Die kleinen Feinschmecker: Nie der Papa?
Nein, der hat gegessen. Damit hat er nichts am Hut gehabt. Der hat mal ein Spiegelei gemacht. Das einfach eine ganz andere Generation. Geboren in den 20-er Jahren. Die Rollen waren klar verteilt. Es war aber ein sehr harmonisches Miteinander.
Die kleinen Feinschmecker: Was hast Du daraus für die eigene Familie mitgenommen?
Ich bin in den Sumpf reingeraten, dass alles und zu jeder Zeit geht und irgendwie machbar ist und war sehr früh selbständig. Da war wenig Regelmäßigkeit da, vor allem was das Essen betrifft. Ich war bei der Arbeit, meine Frau hat für die Kinder gekocht. Die kamen unterschiedlich aus der Schule. Der eine um halb eins, der andere um halb vier, der andere um drei. Irgendwie haben wir schon versucht es zusammenzufassen, zumindest sonntags zum Frühstück. Da hat dann das Frühstück einen ganz anderen Stellenwert. Wir haben auch Punkte gesucht, wo wir gesagt haben, zu 90% treffen wir uns da. Auch wenn das nicht als Termin festgetackert wurde. Die Kinder sind aber ganz normal aufgewachsen. Es ist viel gekocht worden, wobei ich zu Hause nur ganz wenig gekocht habe.
Die Kinder waren auch viel bei mir im Betrieb. Heute sind sie interessiert, aber die würden jetzt nicht in die gleiche Branche einsteigen. Da haben die kein Blut geleckt. Ich würde sie auch nie dazu zwingen. Aber sie essen und trinken gerne. Und das ist das Wichtigste.
Die kleinen Feinschmecker: Mochten denn Deine Kinder früher alles essen?
Da gab es natürlich Phasen. Alles was grün ist, war erst mal eklig. Das hatte gar nichts mit Spinat zu tun. Das war halt einfach grün. Das hat sich dann irgendwann verändert, heute essen sie alles. Ich sage immer: Kinder sind Flexitarier. Mal dies, mal jenes. Heute das, morgen das.
Die kleinen Feinschmecker: Welche Tipps gibst Du Eltern?
Man muss sich schon ein bisschen Zeit nehmen und Thematisieren ist ganz wichtig. Wenn man etwas vorgesetzt bekommt, nicht einfach nur reinschaufeln, sondern mal überlegen: was ist denn das eigentlich? Das Bewusst machen, was esse ich eigentlich, was tue ich meinem Körper eigentlich an.
Dann lässt man nämlich so manche Dinge irgendwann mal weg, weil man sich denkt, brauche ich nicht. Lieber einmal weniger, aber dafür besser. Das finde ich, ist eigentlich mit das Wichtigste. Auch das man sich mehr Gedanken über das Essen und die Produkte macht und diese auch mehr wertschätzen lernt. Nicht nur den Kopf und den Schwanz abhacken und dann nur das Mittelstück essen. Jedes Tier, jede Pflanze, jedes Kraut, hat seine Daseinsberechtigung.
Die kleinen Feinschmecker: Bei Dir merkt man extrem viel Begeisterung zum Thema Essen und auch den Wunsch Wissen weiterzugeben. Das sieht man auch, wenn man sich Deine Videos bei Youtube ansieht.
Das Kochen besteht nicht aus Zauberei. Man so etwas wie einen großen Setzkasten. Den füllt man sich. Und wenn der gefüllt ist, kann man die Schubfächer betätigen und sich immer wieder etwas herausholen. Wie bei einem Maler, wenn der zehn Farben hat, hat er viel mehr Möglichkeiten. Wenn er nur zwei Farben hat ist es schwieriger. Ganz so, als hätte ich nur Salz und Pfeffer.
Und dieser besagte Setzkasten, wird nach und nach immer voller. Wenn man dann ein Gericht kocht, das einem gut gelungen ist, dann macht man das immer wieder. Als nächstes überlegt man sich, dass man ja noch dies und jenes mit dazu kombinieren kann. So entwickelt sich das immer weiter.
Man braucht keine Angst vor dem Kochen zu haben, aber Respekt vor den Produkten. Da muss man nicht den Beruf erlernt haben. Aber wenn man gerne für Familie oder Freunde kocht, dann wird das gut. Und wenn man diese Begeisterung den Kindern mitgibt, dann nehmen die das auch für sich mit.
Auch dieses Mitmachen und Heranführen und den Entdeckergeist fördern. Beim Backen zum Beispiel. Über das Backen kann man ganz viele Kinder zum Kochen bringen. Genau wie Milchreis oder Pfannkuchen. Dann geht es weiter mit Gemüse roh, Gemüse gekocht, Gemüse gebraten. Später dann dazu mit Duftreis und Risotto … so kann man Kinder an das Kochen heranführen.
Die kleinen Feinschmecker: Das waren viele sehr interessante und offene Einsichten in Dein Leben und Deine Einstellungen. Man merkt, wie sehr Du von Lebensmitteln, dem Kochen begeistert bist, aber auch wie viel Freude Du hast, anderen diese Themen nahe zu bringen.
Vielen Dank für Deine Zeit!
Mehr Infos zu Johannes King findet Ihr auf seiner Webseite unter:
https://www.johannesking.de/johannes-king
Einen kleinen Eindruck von ihm und seiner Begeisterung zum Kochen und den Produkten könnt Ihr Euch hier auf YouTube: https://www.youtube.com/user/johanneskingsylt
verschaffen. Und Ihr lernt auch gleich noch was dabei.
P.S. Wenn Euch dieses Interview gefallen hat, dann empfehle ich Euch noch mein Interview mit dem Sternekoch Harald Wohlfahrt .
2 Comments
Dirk Schumann
Sehr schönes und interessantes Interview!
Nicole
Vielen Dank! Freut mich, wenn es Dir gefällt 🙂